"Informierte Einwilligung" und Genforschung Von Klaus-Peter Görlitzer Der
Grundsatz
gilt für jede Forschung am Menschen: Wer an einer klinischen
Studie
teilnimmt, muss wissen können, worauf er sich einlässt.
Zwingend
ist eine verständliche Aufklärung über Forschungszwecke,
angestrebte Verwertung und gesundheitliche Risiken. Nur so ist
potenziell
realisierbar, was Juristen "informierte Einwilligung" nennen. Dass
Versuchspersonen
damit in der Praxis oft überfordert sind, spricht nicht unbedingt
gegen das Prinzip – es ist aber Indiz für mangelnde Beratung,
Transparenz
und Kontrolle im Studienalltag.
In derem Interesse und um Biobanken abzusichern, plädiert der Nationale Ethikrat nun für eine kuriose Variante informierter Einwilligung: "Wenn die Spender jedoch über die Unsicherheit der konkreten zukünftigen Verwendungen aufgeklärt worden sind, sind sie sich darüber im Klaren, dass sie sich auf eine Ungewissheit einlassen." Deshalb reiche eine Vorab-Erklärung, die pauschal und unbefristet jeder Forschung zustimmt. Solchen Einflüsterungen sollte der Gesetzgeber nicht folgen. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gebietet das Gegenteil: Wer Daten und Körperstoffe nutzen möchte, muss verpflichtet werden, vor jedem Projekt Einwilligungen der "Spender" einzuholen und diese auch während der Studie auf dem laufenden zu halten. Dies muss auch gelten, wenn Substanzen und Daten anonymisiert worden sind. Denn Forschungsergebnisse wirken nicht nur auf Probanden. Kommt etwa ein Gentest auf den Markt, entwickelt auf Basis verschlüsselter Blutproben und Daten von Menschen mit einer bestimmten Behinderung oder Krankheit, müssen alle Betroffenen mit Konsequenzen rechnen. Spätestens, wenn Krankenkassen, Versicherungen und Arbeitgeber den neuen Test zwecks "Risikoselektion" einsetzen.© KLAUS-PETER GÖRLITZER, 2004 Alle Rechte vorbehalten Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Autors |
die tageszeitung 23. Juli 2004
Gentest-Gesetz
in dieser Wahlperiode? Seit Anfang der 1990er Jahre wurde es immer wieder angekündigt, doch bisher blieb es ein Phantom: ein Gesetz zur Regulierung genetischer Diagnostik. Zwar legte das Bundesgesundheitsministerium Ende 2005 einen "Diskussionsentwurf" vor. Doch ein halbes Jahr später war Rot-Grün am Ende – und damit auch das Gesetzesvorhaben. Möglich, dass Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ihren alten Entwurf bald aus der Schublade holen wird: Denn laut schwarz-roter Koalitionsvereinbarung soll in dieser Legislaturperiode ein Gesetz zu genetischen Untersuchungen in den Deutschen Bundestag eingebracht werden.
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Pauschale Voraberklärung
Kommentar: "Informierte
Einwilligung"
und Genforschung
In derem Interesse und um Biobanken abzusichern, plädiert der Nationale Ethikrat nun für eine kuriose Variante informierter Einwilligung: "Wenn die Spender jedoch über die Unsicherheit der konkreten zukünftigen Verwendungen aufgeklärt worden sind, sind sie sich darüber im Klaren, dass sie sich auf eine Ungewissheit einlassen." Deshalb reiche eine Vorab-Erklärung, die pauschal und unbefristet jeder Forschung zustimmt.
Solchen Einflüsterungen sollte der Gesetzgeber nicht folgen. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gebietet das Gegenteil: Wer Daten und Körperstoffe nutzen möchte, muss verpflichtet werden, vor jedem Projekt Einwilligungen der "Spender" einzuholen und diese auch während der Studie auf dem laufenden zu halten.
Dies muss auch
gelten,
wenn Substanzen und Daten anonymisiert worden sind. Denn
Forschungsergebnisse
wirken nicht nur auf Probanden. Kommt etwa ein Gentest auf den Markt,
entwickelt
auf Basis verschlüsselter Blutproben und Daten von Menschen mit
einer
bestimmten Behinderung oder Krankheit, müssen alle Betroffenen mit
Konsequenzen rechnen. Spätestens, wenn Krankenkassen,
Versicherungen
und Arbeitgeber den neuen Test zwecks "Risikoselektion" einsetzen.