BefürworterInnen der Präimplantationsdiagnostik freuen sich über das erste europäische "Designer-Baby" In England wurde Mitte Februar das erste europäische "Designer-Baby" geboren. Das Mädchen war im Reagenzglas "gezeugt" worden, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen: Körpersubstanzen der Neugeborenen könnten nach Einschätzung von Reproduktionsmedizinern das Leben ihres vierjährigen Bruders retten helfen, falls dieser erneut an Leukämie (Blutkrebs) erkrankt. Das Therapieversprechen könnte die Akzeptanz für die gezielte Herstellung und Aussonderung von Embryonen erhöhen. Von Klaus-Peter Görlitzer Als potenzielles Therapeutikum sollen Blut bildende Stammzellen dienen, die aus dem Nabelschnurblut des Designer-Babys isoliert, anschließend eingefroren wurden und bei Wiederauftreten der Leukämie auf den Bruder übertragen werden sollen. Das Retortenbaby verdankt seine Existenz einer gezielten genetischen Embryonen-Auslese. Da diese im Jahr 2001 in Großbritannien noch nicht für die Selektion potenzieller Zell-"SpenderInnen" zugelassen war, reiste das Paar in die USA, um dort mit Hilfe US-amerikanischer Mediziner die britische Rechtslage zu umgehen. In Chicago ließ man eine künstliche Befruchtung vornehmen, wodurch elf Embryonen entstanden, die allesamt genetisch getestet wurden. Mittels dieser so genannten "Präimplantationsdiagnostik" (PID) sei derjenige Embryo ermittelt worden, dessen Gewebemerkmale am besten zu denjenigen des von Leukämie genesenen vierjährigen Sohnes passten. Anschließend wurde der ausgewählte Embryo in die Gebärmutter der Auftraggeberin übertragen, die übrigen Embryonen wurden vernichtet. Weil die Britin trotzdem nicht schwanger wurde, ließ sie die Prozedur wiederholen. Der zweite Befruchtungsversuch, für den erneut elf Embryonen erzeugt und genetisch getestet wurden, führte dann zur erhofften Schwangerschaft; die gesamte Behandlung soll umgerechnet über 50.000 Euro gekostet haben. Das britische "Designer-Baby" ist nicht das erste: Erhebliche Medienresonanz hatte auch die Geburt von Adam Nash begleitet, der im August 2000 in Minneapolis (USA) zur Welt kam, um sich nach dem Willen der Eltern sogleich als "Stammzellspender" für seine an Fanconi-Anämie erkrankte Schwester Molly nützlich zu machen. Das Mädchen gilt inzwischen als "geheilt". Die Londoner Zeitung The Guardian nannte das britische "Designer-Baby" einen "Präzedenzfall". Tatsächlich werden weitere Fälle folgen, und künftig werden sie im Vereinigten Königreich auch legal sein: Wenige Tage nach der Geburt des Kindes genehmigte die Aufsichtsbehörde für Reproduktionsmedizin (HFEA) erstmals einen Antrag auf die "Designer-Baby"-Prozedur. Die AntragstellerInnen wünschen sich ein Baby, das Stammzellen für einen Sohn liefert, der an Thalassämie erkrankt ist. Weitere Paare wollen diesem Beispiel nun folgen, und in London möchte Mohammed Taranissi daran verdienen: Der Mediziner, der als britischer Star der künstlichen Befruchtung bekannt ist, möchte gern Europas erstes Labor für die Herstellung von Stammzellspender-Babys betreiben. Mit der gezielten Baby-Produktion wird auch der Selektionstechnik PID, deren Gebrauch in Deutschland bisher nicht erlaubt ist, ein weiteres Anwendungsfeld erschlossen. Im Vertrauen auf die Heilungsverheißungen, die Nabelschnurblut-Transplantationen erfüllen sollen, könnte auch die öffentliche Akzeptanz für die PID wachsen – nicht nur im "Baby-Designer"-Pionierstaat Großbritannien. Im Hintergrund der Propaganda pro Legalisierung der PID stehen allerdings keine Heilungsmotive: Es geht tatsächlich um eugenische, finanzielle und auch geschmackliche Interessen. Selektionsargumente
© KLAUS-PETER GÖRLITZER, 2002 Alle Rechte vorbehalten Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Autors |
aus: BIOSKOP Nr.18 (Juni 2002)
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