Mediziner werben für Selektionstechnik
Präimplantationsdiagnostik soll
nach Ansicht der
Bundesärztekammer in Deutschland
erlaubt werden
Von Klaus-Peter Görlitzer
Ihren Aufruf zur gezielten
Aushebelung des seit 1991 geltenden Embryonenschutzgesetzes (EschG) startete
die BÄK Ende Februar: In Berlin präsentierten die VertreterInnen
der deutschen Ärzteschaft vor JournalistInnen einen "Diskussionsentwurf
zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik".
Das Papier macht sich dafür stark, die PID solchen Paaren anzubieten, "für deren Nachkommen ein hohes Risiko für eine bekannte und schwerwiegende, genetisch bedingte Erkrankung besteht", wobei "spät manifestierende Erkrankungen" nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Voraussetzung für jede PID müsse sein, dass zuvor bei beiden Partnern per Gentest eine Anlageträgerschaft für die gesuchte Abweichung ermittelt worden sei.
Die BÄK-Experten und ihr "Diskussionsentwurf" sagen nicht, nach welchen "genetisch bedingten Erkrankungen" sie konkret per PID fahnden lassen wollen; praktisch rechtfertigen ihre schwammigen Formulierungen die Suche nach hunderten von Krankheiten, die mit Gen-Mutationen in Verbindung gebracht werden. Nur "die Geschlechtsbestimmung ohne Krankheitsbezug" und "das Alter der Eltern" sind für die BÄK "keine Indikation" für eine PID.
Die BÄK rechtfertigt ihren Vorstoß mit angeblicher Nachfrage von "Risiko-Paaren". Zum Beleg führen die Mediziner an, dass der Gencheck am Embryo bisher weltweit vierhundertmal durchgeführt worden und in zehn Staaten der Europäischen Union erlaubt sei. Bislang scheint die BÄK-Werbung allerdings noch nicht gefruchtet zu haben. Jedenfalls waren die öffentlichen Reaktionen von PolitikerInnen, Verbänden und Medien überwiegend ablehnend, einige warnten ausdrücklich vor einer neuen Eugenik in Deutschland. Zu den KritikerInnen gesellte sich auch die bündnisgrüne Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer. Sie betonte, ihrer Meinung nach solle die PID hierzulande verboten bleiben.
Ob dies die Position der gesamten Bundesregierung ist, wird sich zwischen dem 24. und 26 Mai zeigen, wenn das Gesundheitsministerium zu einem Symposium nach Berlin lädt. Auf dem Programm steht auch die Frage, ob die PID im geplanten "Fortpflanzungsmedizingesetz" erlaubt werden soll oder nicht. Und die Frage nach der Zulassung wird auch gestellt werden, wenn über die "Verwendung embryonaler Stammzellen" diskutiert wird.
Womit mittelfristig zu rechnen ist, wenn die PID
hierzulande tatsächlich eingeführt würde, haben die HumangenetikerInnen
Wolfram Henn und Traute Schroeder-Kurth im Juni 1999 im Deutschen Ärzteblatt
ausgebreitet: "Paaren mit Kinderwunsch, auch solchen ohne bekannte familiäre
Belastung, könnte vor einer Schwangerschaft ein breites Screening
aus Blutproben auf Anlageträgerschaft für verschiedene rezessive
Erbleiden angeboten werden. Im Falle eines positiven Befundes könnte
dann eine PID auf das einzelne Leiden erfolgen. Durch dieses Verfahren
würde das Indikationsspektrum der PID entscheidend erweitert: von
individuell mit Erbleiden belasteten Familien in die unbelastete Allgemeinbevölkerung."