Göttinger Humangenetiker bittet
Schwangere zum Massentest
Von Klaus-Peter Görlitzer
In der Fachzeitschrift
Frauenarzt
rief
der Humangenetiker Ulrich Sancken Deutschlands GynäkologInnen im Juli
dazu auf, Schwangere zur freiwilligen Teilnahme an der "ITA-Studie" zu
motivieren. Die Reihenuntersuchung des Göttinger Humangenetik-Instituts
soll klären, wie aussagekräftig ein neues, in den USA entwickeltes
Diagnose-Verfahren ist; gesponsert wird der Massentest durch die Bad Nauheimer
Firma Nichols Institute Diagnostika GmbH.
Die englische Abkürzung ITA steht für "Invasive Throphoblast Antigen". Bezeichnet wird damit ein Molekül, das im Blut und Urin von Schwangeren vorkommt. Ist die ITA-Konzentration im Urin "extrem erniedrigt", muss die werdende Mutter nach Darstellung der Humangenetiker davon ausgehen, dass ihr Kind mit Trisomie 18 geboren würde; bei Schwangerschaften mit Down-Syndrom soll der ITA-Normwert um ein Vielfaches überschritten sein. "Dem Rat der Ethik-Kommission folgend", schreibt Sancken im Frauenarzt, "werden den ProbandInnen keine Ergebnisse mitgeteilt. Der Nutzen dieser Studie kommt der Probandin also nicht unmittelbar zugute, sondern nur den zukünftigen Schwangeren."
Annegret Braun, Leiterin der PUA-Beratungsstelle
zu vorgeburtlichen Untersuchungen beim Diakonischen Werk Württemberg,
warnt Frauen und GynäkologInnen eindringlich davor, bei der Reihenuntersuchung
mitzumachen: "Die Studie dient zur Vorbereitung und Einführung der
größten Rasterfahndung nach chromosomalen Abweichungen." Würde
das neue Verfahren erst einmal wissenschaftlich anerkannt, drohe die Ausweitung
der ITA-Diagnostik auf alle Schwangeren. Braun: "Dafür spricht schon
die momentane Rechtsprechung (‚Kind als Schaden‘), die zu einer immer stärkeren
Absicherungsmedizin geführt hat, bei welcher Kind und Eltern auf der
Strecke bleiben."